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Kapitel 84 Die geistige Sonne, Buch 2

Wann und wie den Weltreichen ihr zusammengeraubter Reichtum genommen und derselbe unter den Armen verteilt werden soll. Wie Geldverleih und Zinsen geregelt sein sollen

(Am 6. Oktober 1843 von 4 3/4 – 6 Uhr abends.)

1. Es lässt sich nun fragen, da der Herr nie ein Eigentumsrecht eingeführt und daher auch unmöglich je ein Gebot gegeben hatte, durch welches man ganz besonders ein zusammengewuchertes Vermögen so vieler geiziger Wucherer respektieren soll, und das gegenüber einer Unzahl von den allerärmsten Menschen, – ob man denn wohl stehlen dürfte, dasjenige nämlich, was sich solche Wucherer, dem göttlichen Gesetz zuwider, zusammengescharrt haben? Denn man nimmt doch einem Dieb nach den irdischen Gesetzen, sobald man ihn nur ertappt, seine gestohlenen Sachen weg. Sollte man denn nicht umso mehr das Recht haben, den allerbarsten Dieben und Räubern dem göttlichen Gesetz gegenüber ihre zusammengeraubten Reichtümer wegzunehmen und sie unter die Dürftigen zu verteilen?

2. Nach dem Verstandesschluss könnte man dieser Anforderung von vornherein gerade nichts einwenden; aber der rechte Mensch hat noch höhere Kräfte als seinen Verstand in sich. Was werden aber diese zu dieser Verstandesbilligung sagen?

3. Fragen wir unsere Nächstenliebe und unsere Gottesliebe. Was spricht sie in ihrem inwendigsten, ewig lebendigsten Geist aus Gott? Sie spricht nichts anderes, als was der Herr Selbst gesprochen hat, nämlich: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt!“ Und wer sein äußeres Leben liebt, der wird das innere verlieren; wer aber sein äußeres Leben flieht und geringachtet, der wird das innere behalten. Das spricht alsdann der innere Geist.

4. Wir sehen nirgends eine Anforderung, dass wir uns über die Güter der Reichen der Welt hermachen sollten. Der Herr Selbst spricht: „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist.“ So befiehlt Er auch nicht dem reichen Jüngling, seine Güter zu verkaufen, sondern erteilt ihm nur den freundschaftlichen Rat nebst der Verheißung des ewigen Lebens.

5. Da wir sonach aber nirgends auf ein Gebot vom Herrn aus stoßen, durch welches Er ausdrücklich befohlen hätte, sich irgend des Reichtums der Wucherer zu bemächtigen, so liegt es auch sicher klar am Tage, dass ein wahrhaftiger Christmensch nicht das Recht hat, sich über die Güter der Reichen herzumachen. Selbst derjenige, der in der größten Not ist, hat nicht vom Herrn aus ein irgend nachzuweisendes Recht, sich im größten Notfall der Güter selbst eines barsten Diebes zu bemächtigen; wohl aber hat bei einem großen Notzustand ein ganzes Volk das Recht dazu.

6. Warum denn? Weil dann der Herr Selbst im Volk waltend auftritt und bewirkt dadurch für die nimmersatten Wucherer ein gerechtes Gericht. Nur soll sich da niemand erlauben, außer im höchsten Notfall, die Wucherer und die reichen Hartherzigen zu ermorden, sondern ihnen nur so viel von ihren höchst überflüssigen Schätzen wegzunehmen, als das Volk zu seiner Unterstützung nötigst bedarf, um sich wieder auf die Füße des friedlichen Erwerbes stellen zu können.

7. Dem reichen Wucherer aber solle noch immer so viel gelassen werden, damit er auf der Welt keine Not leide; denn das ist ja sein einziger Lohn für seine Arbeit. Der Herr aber will niemanden strafen, sondern jedermann nur belohnen nach der Art seiner Tätigkeit.

8. Da der Reiche aber und der Wucherer nach diesem Erdleben nichts mehr zu erwarten hat, da ist es ja recht und billig, dass eben ein solcher Reicher und Wucherer für sein Talent dort seinen Lohn findet, wo er gearbeitet hat.

9. Zudem will der Herr auch keinen Menschen auf dieser Welt völlig richten, damit da für einen jeden die Möglichkeit noch vorhanden bleibe, sich freiwillig von der Welt abzuwenden und zum Herrn zurückzukehren. Würde nun solch einem reichen Wucherer alles weggenommen werden, so erscheint er schon als völlig gerichtet; denn Verzweiflung wird sich seiner bemächtigen und eine endlose Zornwut, in der er unmöglich je den Weg des Heils betreten kann. Ist ihm aber noch ein genügendes Vermögen gelassen worden, so ist er fürs Erste keiner irdischen Not ausgesetzt und erscheint nicht als völlig unbelohnt für sein Ersparungstalent; fürs Zweite aber kann er in diesem Zustand als nicht völlig gerichtet ja auch noch den Rat befolgen, den der Herr dem reichen Jüngling gegeben hat, und kann dadurch zum ewigen Leben gelangen.

10. Am wenigsten aber sollen bei solchen äußersten Unternehmungen von Seiten eines tiefverarmten Volkes blutige Grausamkeiten ausgeübt werden; denn sobald solches geschieht, da wirkt nicht mehr der Herr mit dem Volk und das Volk wird seine Tat nicht gesegnet sehen. Denn wenn es heute siegen wird, so wird es morgen wieder geschlagen, und wird da ein Blut wider das andere fließen! Nie soll der Mensch vergessen, dass alle Menschen seine Brüder sind. Was er unternimmt, das soll er stets mit einem liebeerfüllten Herzen unternehmen; niemandem soll er je etwas Böses tun wollen, sondern allzeit nur etwas Gutes, besonders im geistigen Teil zum ewigen Leben Wirkendes.

11. Ist so sein Sinn beschaffen, dann wird der Herr seine Handlung segnen, im Gegenteil aber verfluchen! Denn so der Herr Selbst niemandem ein ewig tödlicher Richter sein will, dem doch alle Gewalt im Himmel und auf Erden eigen ist, und niemanden zu fragen hat, was Er tun oder nicht tun soll, umso weniger soll ein Mensch auf der Erde etwas nach seinem argen Willen tun.

12. Wehe aber dem Volk, welches ohne die äußerste Notwendigkeit sich gegen die Reichen und Mächtigen erhebt! Das wird für seine Tat allerbitterst gezüchtigt werden; denn die Armut ist des Herrn. Wer den Herrn liebt, der liebt auch die Armut; der Reichtum und das Wohlleben aber ist der Welt und des Satans! Wer nach diesem, was der Welt ist, trachtet und es liebt, der hat sich auch vom Scheitel bis zur Zehe dem Satan einverleibt!

13. Solange also irgendein Volk sich des Tages nur einmal halbwegs sättigen und noch das Leben erhalten kann, so lange auch soll es sich nicht erheben. Wenn aber die Reichen und Wucherer beinahe alles an sich gerissen haben, so dass Tausenden von armen Menschen der augenscheinlichste Hungertod droht, dann ist es Zeit, sich zu erheben und die überaus überflüssigen Güter der Reichen untereinander zu teilen; denn dann will es der Herr, dass die Reichen bis zu einem großen Teil für ihre schändliche Eigenliebe und Habsucht sollen gezüchtigt werden.

14. Zum Schluss der Abhandlung dieses Gebotes dürfte vielleicht noch jemand fragen, ob die Zinsnahme für geliehene Kapitalien nicht gewisserart auch wider das siebte Gebot ist. Da sage ich: Wenn in einem Staat der Zinsfuß gesetzlich bestimmt ist, so ist es auch erlaubt, nach diesem Zinsfuß von den Reichen die Interessen zu nehmen; hat aber jemand einem Bedürftigen ein erforderliches Kapital geliehen, so soll er dafür keine Zinsen verlangen.

15. Hat sich dieser Notdürftige mit diesem Kapital insoweit beholfen, dass er sich nun in seiner Gewerbshantierung bürgerlich wohl befindet, so soll er darauf bedacht sein, das ausgeliehene Kapital seinem Freund wieder zurückzuerstatten. Will er aus Dankbarkeit die gesetzlichen Zinsen zahlen, so soll sie der Ausleiher nicht annehmen, wohl aber den Rückzahler erinnern, solche an seine ärmeren Brüder zu verabfolgen nach seiner Kraft.

16. Ganz Armen aber soll niemand ein Kapital leihen, sondern was er ihnen gibt, das soll er ihnen ganz geben. Das ist in dieser Hinsicht der Wille des Herrn. Wer ihn befolgt, der wird des Herrn Liebe haben. Da wir somit alles, was dieses Gebot betrifft, berührt haben, so können wir uns sogleich in den achten Saal begeben, allda wir ein Gebot werden kennen lernen, das diesem siebten in vieler Hinsicht gleichen wird.

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