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Kapitel 1 Sterben und Hinübergehen

Erstes Beispiel. Ein berühmter Mann

Am 28. Juli 1847

1. Gehen wir an das Krankenlager eines großen, äußerst berühmten Mannes der Welt – und zwar einige Stunden vor dem Hintritt in die Ewigkeit – und betrachten da dessen Benehmen diesseits und seinen Eintritt ins Jenseits und wie sich da die zwei Welten begegnen und ineinander übergehen mit einem Blick, und es wird sich euch sogleich sonnenhell zeigen, wie so ganz und gar voll Wahrheit die vorhergehende Kardinalregel diese Sache darstellte.

2. Seht, dieses Menschen Taten und Handlungen in der Welt waren von einer solchen Art und wurden auf einem solchen Boden ausgeführt – von dem zumeist das resonierende Echo die ganze Erde durchschwirrte wie ein zischender Meteor –, dass sie aller Menschen Augen auf sich zogen und wegen des starken Bodenwiderhalls an allen Punkten der Erde vernommen und weidlichst für und wider besprochen und beschrieben wurden, und zwar auf so viel Papier, dass man mit selbem nahezu ganz Europa überziehen könnte. Und nun liegt dieser große Mann, dieser Philanthrop, dieser hitzige Verfechter politischer und kirchlicher Interessen seiner Nation hingestreckt auf seinem Lager voll Verzweiflung und Furcht ob der herbeigekommenen letzten Stunde, der zu entgehen sich für ihn auch nicht die leiseste Hoffnung mehr herausstellt.

3. In einer Art von dumpfer, schmerzlichster Verwirrung sieht er – als heimlicher Atheist – bald die ewige Vernichtung seines Daseins, bald fühlt er wieder vermeintliche Schmerzen der Verwesung, darum er sich auch die Einbalsamierung testamentarisch bedingt, – und dass er im Grab nimmer erwache, müssen Herz und Eingeweide von seinem Leib getrennt werden, und damit diesen getrennten Teilen nicht die Zeit zu entsetzlich lang werde, müssen sie an solchen Orten beigesetzt werden, die nicht gar zu selten von Menschen besucht werden.

4. Aber mitten unter solche vernichtende Gedanken mischt sich auch der Katholizismus mit seinen scharfen Höllendrohungen, über die der Mann bei sich freilich gelacht hatte, solange er noch hundert Jahre zu leben wähnte. Aber sie kehren nun wie leicht entflohene Furien zurück und peinigen das so mancher großen Schuld sich bewusste Gemüt unseres Sterbenden ganz entsetzlich, und es können selbes weder die Kommunion noch die Ölung, noch die ununterbrochenen Gebete und vielen Messen und das starke Glockengeläut beschwichtigen. Nur stets grässlicher und stets ewiger sieht seine Seele die Flamme des Pfuhls emporschlagen.

5. Da entfleucht all seine frühere Manneskraft und all seine Philosophie ist dahin, und sein brechendes Herz sinkt schon in die stets dichter und dichter werdende Nacht des Todes. Und die Seele, von der höchsten Angst bedräut, sucht noch in den letzten Atemzugsperioden ein Trostfünklein in den schon tot werdenden Furchen des Herzens, das einst so viel irdischen Mut hatte. Aber da ist es überall leer und statt des Trostes starrt ihr überall entweder die ewige Vernichtung oder die Hölle mit all ihren Schrecken entgegen.

6. Also sieht es diesseits aus; nun aber machen wir auch einen Blick ins Jenseits.

7. Siehe, da stehen drei verhüllte Engel am entsprechend gleich aussehenden Lager unseres Sterbenden und betrachten unseren Mann mit unverwandtem Blick.

8. Nun spricht der A zum B: „Bruder, ich meine, für den ist es irdisch vollbracht. Auf dieser Dornhecke werden irdisch wohl nimmer Trauben zum Vorschein kommen. Sieh, wie sich seine Seele krümmt und windet und keinen Ausgang findet und wie gar so verkümmert der arme Geist in ihr aussieht! Daher greife du mit deiner Hand in die schon starren Eingeweide und entwinde diese gar jämmerlich elende Seele aus ihrer Nacht, und ich werde sie dann in des Herrn Namen anhauchen und sie erwecken für diese Welt; und du, Bruder C, führe sie dann des Herrn Wege ihrem Bestimmungsort zu nach der Freiheit ihrer Liebe. Es geschehe!“

9. Nun greift der Engel B in die Eingeweide unseres Mannes und spricht: „Im Namen des Herrn – erwache und werde frei, du Bruder, nach deiner Liebe. Es sei!“

10. Nun sinkt diesseits die sterbliche Hülle in den Staub, jenseits aber erhebt sich eine blinde Seele!

11. Aber der Engel A tritt hinzu und spricht: „Bruder, warum bist du blind?“ – Und der Neuerwachte spricht: „Ich bin blind. Macht mich sehend, so ihr könnt, auf dass ich erfahre, was da mit mir vorgegangen ist, da mich auf einmal meine Schmerzen verlassen haben!“

12. Darauf behaucht A die Augen des Erwachten, und der Erwachte öffnet sie und schaut ganz erstaunt um sich und sieht niemand außer den Engel C und fragt ihn: „Wer bist du? Und wo bin ich? Und was ist mit mir vorgegangen?“

13. [Der Engel:] „Ich bin ein Bote Gottes, des Herrn Jesu Christi, bestimmt, dich zu führen, so du willst, des Herrn Wege. Du aber bist nun für ewig gestorben für die äußere, materielle Welt körperlich und befindest dich nun in der Geisterwelt.

14. Hier stehen dir zwei Wege offen, der Weg zum Herrn in den Himmel und der Weg zur Herrschaft der Hölle. Es kommt nun ganz auf dich an, wie du wandeln wirst. Denn siehe, hier bist du vollkommen frei und kannst tun, was du willst. Willst du dich leiten lassen von mir und mir folgen, so wirst du wohl tun. Willst du aber lieber dich selbst bestimmen, so steht es dir auch frei. Aber das wisse, dass es hier nur einen Gott, einen Herrn und einen Richter gibt – und dieser ist Jesus, der in der Welt Gekreuzigte! An Diesen allein halte dich, so wirst du zum wahren Licht und Leben gelangen. Alles andere aber wird sein Trug und Schein deiner eigenen Phantasie, in der du nun lebst und von mir dieses vernimmst!“

15. Darauf spricht der Erwachte: „Das ist ja eine neue Lehre und ist wider die Lehre Roms, also eine Ketzerei; und du, der sie mir hier an einsamem Ort will aufdrängen, scheinst eher ein Abgesandter der Hölle als des Himmels zu sein; daher entferne dich von mir und versuche mich fürder nicht!“

16. Und der Engel C spricht: „Gut, deine Freiheit enthebt mich in des Herrn Jesu Namen meiner Sorgen um dich. Daher werde dir dein Licht; es sei!“

17. Darauf entschwindet der Engel C, und der Neuerwachte tritt in seine naturmäßige Sphäre und ist so wie unter seinen Bekannten in der Welt und erinnert sich kaum mehr, was da mit ihm vorgefallen ist, und lebt nun (freilich chimärenhaft) wie auf der Welt, und tut fort, was er auf der Welt tat, und kümmert sich wenig weder um den Himmel noch um die Hölle und noch weniger um Mich, den Herrn. Denn das alles sind nun bei ihm drei vage Lächerlichkeiten gleich einem Traumgebilde, und jeder ihn daran Erinnernde wird aus seiner Gesellschaft ausgewiesen.

18. Seht, aus diesem ersten Exempel könnt ihr schon abnehmen, in welch ein Wasser nun unser großer, berühmter Mann gefallen ist; d. h. wie jeder in sein eigenes Lebenswasser. Die ferneren Beispiele werden diese Sache schon noch heller erleuchten.

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