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Kapitel 10 Die zwölf Stunden

Zehnte Stunde.

1. Nachdem wir die Außenländer in Hinsicht auf den moralischen Cultus ein wenig überblicket haben, so wollen wir uns auf unseren heimathlichen Boden wenden; Ich sage darum heimathlichen, da für's Erste ihr daselbst geboren seid, und hauptsächlich aber für's Zweite, weil Ich auf diesem Boden doch am meisten bekannt werde durch das freilich sehr zerstückte und gänzlich entartete Christenthum.

2. Es gäbe wohl auf der Erde noch viele Ländereien, sowohl auf denen Continenten, als auch auf denen Inseln; allein da es hier nicht zu thun ist, euch eine neue Statistik und Erdbeschreibung in die Hände zu liefern, sondern vielmehr euren Geist zu wecken, damit er desto leichter seine eigene inwendige Statistik erschauen und begreifen möchte, und erkennen die entsprechenden Bosheiten seiner eigenen nächsten Umgebung; und so denn genügt von den Fremdländern das bisher Bezeichnete.

3. Was aber in's Sonderheitliche noch andere wohlbekannte große Länder und Reiche betrifft, als dergleichen das Kaiserthum China, wie auch noch andere, theils zu diesem Reiche, theils aber zum Welttheil Asien, Australien, wie auch Afrika gehörige Inseln sind, so auch der große Kaiserstaat Brasilien mit dem übrigen Südamerika und all' den Inseln, die entweder zu diesem Welttheile gerechnet werden, oder auch unter einem andern Namen existiren, sehet, dieses Alles könnet ihr, so viel es nöthig ist, ohnehin erfahren.

4. Ich aber kann es euch aus mehreren Rücksichten nicht auf die Tafel bringen; denn wenn in solchen Ländern die Abgötterei in einem zu hohen Grade die Völker verpestet hat, ihr würdet wahrlich keinen Nutzen daraus schöpfen, sondern da könntet ihr sogar durch den Anblick des Bildes mehr Giftes in euch aufnehmen, denn des Segens.

5. Und einer andern Rücksicht zu Folge kann Ich es auch darum nicht thun, weil es Meiner Heiligkeit nicht wohl ansteht, und vermöge Meiner Ordnung auch nicht möglich ist, das Auge der Liebe an eurer Seite dahin zu wenden, weil vom Anbeginne, da ein solches Land von einer Mir verhaßten Nation entdeckt wurde, solche Länder mit Meinem Fluche belegt wurden; oder sie haben sich von alten Zeiten her schon so entartet und vergräuelt, daß ein Blick von Mir auch nur auf das entsprechende Bild sie augenblicklich vernichten würde.

6. Denn die Scheußlichkeit der Handlungsweisen auf diesen Ländern ist von einer solchen unerhörten Art, daß ihr euch bei einer nur einigermaßen auseinander gesetzten Schilderung, besonders den inwendigen Verhältnißen nach, solchergestalt entsetzen möchtet, daß auch nicht Einer die Kraft hätte, seine Feder weiter zu führen. —

7. Daher lassen wir sie unangetastet, und wie schon gesagt, nehmen wir das in den innern Augenschein, was euch und Mir in jeder Hinsicht näher liegt.

8. Es wird euch schwer sein zu glauben, daß es unter diesen benannten und theils auch absichtlich nicht benannten Ländereien Gegenden giebt, für die sogar Mein Fluch zu heilig ist, und sind daher auch im buchstäblichen Sinne desselben nicht werth. — Mehr brauche Ich euch nicht zu sagen. —

9. Warum Ich Mich daher über solche Punkte der Erde in eine nähere Auseinandersetzung nicht einlasse, werdet ihr nun wohl einsehen; — denn wo der Satan in Allem und Jedem seine Herrschaft vollends aufgerichtet hat, wahrlich, da ist nicht gut hinzublicken.

10. Und würde Ich euch auch solche Gegenden über Meine Tafel ausbreiten lassen, wahrlich ihr würdet nichts erschauen, denn einen schwarzen und hie und da ganz glühenden Erdraum. Mehr brauche Ich euch nicht zu sagen. Darum sehet lieber her auf die Tafel, und versucht euch, zu erkennen das Land, was sich nun euren Blicken darstellet.

11. Seht nur genau. Auf welcher Seite bemerket ihr das Land? Nicht wahr, es liegt ganz nördlich; nun seht, ihr habt es schon. Wie hättet ihr es auch nicht alsogleich erkennen sollen; die weit gedehnten Eis- und Schneefelder verkünden euch ja laut den Namen Rußlands.

12. Sehet, wie dieses weitgedehnte Reich sich beinahe über drei Welttheile ausbreitet, und was den Flächenraum anbelangt, auch wohl das größte Land der Erde ist, das da von einem Alleinherrscher beherrscht wird.

13. Sehet, wie es hier aussieht, besonders in den nördlichen Theilen, als wenn der ewige Friede allda seinen Sitz aufgerichtet hätte.

14. Aber es ist eben nicht allzeit dem Scheine zu trauen; denn auch hier giebt es manche Stürme in den Gemüthern der Nordbewohner, nicht nur, daß sie in der Bildung den übrigen Völkern Europa's nachstehen, sondern sie stehen noch in so manchen andern Verhältnissen dem bessern Theile Europa's nach, und dieses ist, daß man dort von Seiten der Regierung noch viel zu wenig gethan hat, um wenigstens jenes christliche Licht, das diesem Reiche im Allgemeinen eigen ist, in einem intensiveren Maße leuchten zu lassen. —

15. Dieser benannte Unfriede ist also vielmehr ein moralischer Unfriede, als ein politischer; denn es kann für den Menschen in geistiger Hinsicht keinen beunruhigenderen Zustand geben, als wenn mit einigen Fünkleins des Christenthums ein ganzer Feuerstrom des schmutzigsten Aberglaubens verbunden wird; denn da ist leichter, die stockfinstersten Heiden sowohl hier als jenseits für die reine Wahrheit zugänglich zu machen, als solche verheidnete Christen.

16. Und dieser Zustand, sehet nur her auf die Tafel, zieht sich beinahe ununterbrochen über den ganzen nördlichen Theil dieses Landes.

17. Bei allem Dem aber ist dieses Reiches Verfassung noch eine solche, dahin die Wahrheit noch, freilich unter gewissen Bedingungen, den ungehinderten Zutritt hat;

18. denn wo immer ein Herrscher ein Land beherrscht, und sucht in dieser seiner großen Wirkungssphäre dasselbe so viel nur möglich in sich zur Einheit zu bringen, so ist dieses mehr, ja Ich sage euch, beiweitem mehr, als wenn in irgend einem andern noch so gebildeten Staate ein Herrscher bloß ein Namensträger ist, und seinen Unterthanen Constitutionen über Constitutionen zugesteht, um nur nicht von seinem vielgeliebten Throne vertrieben zu werden. —

19. Wahrlich, ein solcher Herrscher ist nicht viel besser daran, denn ein Verbrecher im Arreste; denn nur seine Blindheit läßt ihn nicht sehen, in welche Sclavenketten ihn seine beconstitutionirten Völker geworfen haben.

20. Er sieht in der goldenen Kette nicht, daß er ein Gefesselter ist; aber auch die goldene Kette ist eine metallene Kette, und bei oft so massiven Gliedern wahrlich oft um's Zehnfache schwerer, denn die eiserne eines Verbrechers. —

21. Und somit giebt es für uns auf diesen erfrorenen Flächen nicht gar zu viel mehr Bemerkenswerthes zu schauen, außer daß ganz nördlich gegen das Gebirge, welches das Ural genannt wird, einige ganz vereinzelte Familien wohnen, welche mit dem zweiten Gesichte begabt sind.

22. Es ist aber dieses zweite Gesichte nicht etwa ein Zeichen von einem geweckteren Geiste, sondern es hat seinen Grund bloß nur in einem etwas erhöhteren Seelenleben, und ist überhaupt ein Eigenthum feiner Menschen, die stets in großer Noth und natürlicher Abgezogenheit von der Welt zu leben genöthigt sind.

23. Daß dieses zweite Gesicht mit der geistigen Gewecktheit gar keine Verwandtschaft hat, kann euch auch dieser Umstand hinreichend erweisend bezeugen, daß eines solchen zweiten Gesichts auch sogar die Thiere fähig sind, deren Individualität durchgehends nichts Geistiges in sich trägt, wohl aber eine Seele zur fernern Ausbildung. —

24. Ihr werdet nun freilich fragen, welche Realität Dasjenige hat, was sich im zweiten Gesichte beschaulich darstellt? Allein es wird auch gar nicht schwer sein, diesen Knoten für euch zu lösen.

25. Wenn ihr noch im tiefen Winter begraben seid, und euch von allen Seiten die starren Schnee- und Eisfelder schaurig anblicken, ja wenn ihr noch dazu in kalten Gemächern zu wohnen genöthiget wäret, saget, werdet ihr euch da nicht nach dem Frühlinge und nach dem Sommer ganz gewaltig zu sehnen anfangen? Und wird nicht die Phantasie euerer Seele sich vorzugsweise damit beschäftigen, und euch bildlich den Frühling und den Sommer vorführen?

26. Sehet, dieses sehnsüchtige, gleichsam plastische Vorgefühl ist die erste Stufe des zweiten Gesichts, und hat seinen Grund in dem leisen ätherischen Ueberwehen dessen, das die Seele in ihrem gedrückten Zustande wohlthuend erwartet.

27. Wenn nun Jemand sich mehr und mehr vertiefen würde, so möchte er wenigstens zur Nachtzeit nicht selten die Situationen des Frühlings und des Sommers gleich matten Traumbildern vor sich vorüberziehen sehen.

28. Wenn aber irgend eine Seele noch mehr beengt wird durch leidende Verhältnisse, so geschieht mit ihr durch solchen Druck dasjenige Experiment, als wenn die Luft in einem zu hohen Grade gedrückt wird; sie entzündet sich, und tritt außer der leiblichen Sphäre hinaus.

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