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Kapitel 92 Großes Evangelium Johannes, Buch 2

92. — Des Herrn Gnade mit der Menschheit

1. Sagt darauf der Oberste: „Ah, nun hat die Sache ein ganz anderes Gesicht! Da reiste er ja lange nicht aus Furcht, sondern aus reiner Klugheit ab, um dem Herodes aus wohlverdienter Strafe jede Gelegenheit abzuschneiden, daß er darum nun weder noch schlechter, aber auch nicht leichtlich besser werden kann! Ah, da hat er sehr wohl getan, und ich kann ihn darum nur loben.

2. Es ist aber dieser Herodes auch im eigentlichsten Worte ein Mensch, bei dem sich so ganz eigentlich kein Mensch recht auskennt, wie er mit ihm daran ist. Er ist zur Hälfte ein guter, hie und da über die Maßen wohltätiger Mensch, zur Hälfte aber auch wieder gleich darauf ein Teufel ersten Ranges! Er macht dir heute in einer Art Anwandlung von Herzensgüte und Großmut die allerlobenswertesten Verheißungen und erfüllt sie auch an dem, der bald nach der Verheißung zu ihm kommt. Aber wehe dem, der ihn am nächsten Tage dessen erinnern würde; der bekommt nicht nur nichts von all dem Verheißenen, sondern er wird noch auf eine so empfindliche und bösbeleidigende Weise abgewiesen, daß ihm für ein zweites Mal sicher aller Mut vergeht, sich ihm je wieder zu nahen und ihn an die gemachte Verheißung zu erinnern!

3. Es ist mit ihm darum auch nie irgendein besonderer Freundschaftsbund zu schließen; denn der ihn sicher nicht hält, – das ist Herodes! Und unser erhabener Heiland Jesus wird das so gut wie unsereiner wissen und ist ihm darum mit allem Fug und Recht ausgewichen; denn so sich auch Herodes hundertmal überzeugt hätte, daß Jesus unverletzbar sei, so würde das für den Herodes dennoch soviel wie gar nichts beweisen. Für ihn liefert das, was heute geschah, für morgen durchaus keinen Beweis; denn dieser Mensch hat entweder kein Gedächtnis oder er lebt in solchen Grundsätzen, mit denen bloß er, aber neben ihm kein anderer Mensch mehr bestehen kann!

4. Daß er aber übrigens ein schlauer Fuchs ist, bedarf wohl keines weiteren Beweises. Denn die Steuern zu erpressen, versteht er aus der Kunst, sowie den Römern den Pachtzins schuldig zu bleiben. Ich aber weiß es, wie er es macht; jedoch davon ein anderes Mal!

5. Ich möchte aber nun dennoch erfahren von euch, ob unser Heiland Jesus nicht noch einmal wieder nach Nazareth kommen wird. Hat er euch allen nichts davon gesagt?“

6. Sagt Borus: „Bestimmtes wohl nicht; aber ich hoffe, daß Er den Winter über bei uns zubringen wird! Es ist freilich auch möglich, daß Er den Winter gar in Sidon oder Tyrus zubringen wird; aber dann werden wir von Ihm schon Nachricht erhalten und uns zeitweilig dahin begeben.“

7. Sagt die ganz traurig aussehende Mutter Maria: „Er wird wohl hierher kommen; aber sicher nur wieder auf ein paar Tage!“

8. Sagt der Oberste: „O liebe Mutter, mache nur du dir nichts daraus; denn er wird weder uns und sicher noch weniger dich vergessen!“

9. Sagt die Mutter: „Das wird Er nicht; aber für mich ist es dennoch traurig, wenn ich sehen und erfahren muß, wie die bösen, blinden Menschen ihren ewig größten Wohltäter mutwillig verkennen, Ihn verfolgen und Ihm fast allenthalben mit dem größten Undank begegnen!“

10. Sagt der Oberste: „Siehe, liebe Mutter, die Menschen sind einmal so wie sie sind, und David hat in seiner Not nicht umsonst ausgerufen: ,O wie zu gar nichts nütze ist aller Menschen Hilfe; denn sie können dem Bedrängten alle nicht helfen!‘ Übrigens war das ja noch allzeit das traurige Los aller von Gott mit höheren, geheimnisvollen Fähigkeiten begabten, großen Menschen, daß sie von den Erdwürmern von Menschen gleich also verfolgt worden sind, wie da die kleinen Schwalben mutwillig verfolgen den großen mächtigen Aar. Denn die kleinen Menschen wollen bei all ihrem Nichtssein dennoch groß sein und können es daher nicht ertragen, wenn ein wahrhaft großer Mann auftritt, an dem sie nur zu augenscheinlich das Maß ihrer vollsten Nichtigkeit nehmen müssen!

11. Siehe an die großen Propheten! Was war ihr Erdenlos? Allzeit Armut von Geburt an, allerlei Mangel und Entbehrung, Mißgunst, Verfolgung und endlich gar ein gewaltsamer Tod durch die Hände der selbstsüchtigen Erdwürmer! Warum Gott das stets so haben will, ist mir seit meiner Kindheit her ein Rätsel gewesen; aber die allzeitige Erfahrung lehrt uns, daß es leider allzeit so war, und wir können dagegen ebensowenig etwas unternehmen, wie gegen den lästig kurzen Tag des Winters. Gott hat einmal die Sache also eingerichtet, und wir können sie nicht ändern, hoffen aber, daß es dereinst im andern Leben besser gehen werde!

12. Dein göttlicher Sohn hätte wohl nach dem, was ich von ihm vernommen habe, Macht in mehr als hinreichender Fülle, dem ganzen Weltmenschenunfug mit einem Schlage ein Ende zu machen; daß er es aber nicht tut, können wir ja leicht aus dem entnehmen, daß er gewisserart vor dem Erdwurme Herodes lieber flieht, als daß er ihn vernichtete mit einem Hauche! Er, der es leicht könnte, tut es nicht, und wir können es nicht tun, – und so bleibt immer die alte bekannte schlechte Sache! Wenn er einmal hierher kommt, so will ich mit ihm in dieser Hinsicht eine ganz ernste Zwiesprache führen.“

13. Sagt Borus: „Wird aber wenig fruchten! Denn ich war Zeuge, was alles in dieser weltverbessernden Hinsicht der Oberstatthalter, der dazu noch ein Oheim des Kaisers ist, Ihm alles für Vorschläge und Angebote gemacht hat; aber da war alles umsonst! Er zeigte mit Händen zu greifen klar, was die Menschheit ist, und wie sie möglichst ohne besondere Gerichte und Strafen zu führen und zu lenken ist, wenn sie lediglich durch reinen Unterricht und durch ihre höchst eigene freie Bestimmung danach ihre einstige, von Gott gestellte ewige Bestimmung erreichen will! Der Statthalter mußte Ihm, so gut wie wir alle, das vollste, ungezweifeltste Recht zuerkennen, und das mehrmals fest angetragene Dareinhauen unterblieb völlig und vollkommen; und so kann ich dir schon zum voraus versichern, daß es mit deiner dir vorgenommenen Zwiesprache ebenfalls seine geweisten, abschlägigen Wege haben wird!“

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