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Kapitel 94 Großes Evangelium Johannes, Buch 2

94. — Das Zusammenleben der Freunde des Herrn in Nazareth.

1. Als der Oberste lächelnd diese Bemerkung ausgesprochen hatte, brachten ein paar Bürger der Stadt einen Kranken, der viele Jahre schon an der Raserei litt. Da er aber arm war, so getrauten sich die Seinen nicht, sich bei einem Arzte für ihn um Hilfe zu verwenden, und ihn zu Mir zu bringen, getrauten sie sich auch nicht, da bei mehreren Bürgern die böse Sage war: wer sich von Mir heilen ließe, der verschriebe seine Seele dem Beelzebub! In einem fast gleichen Geruche stand auch Borus, von dem man sagte, daß er von Mir solche Stücke des Teufels erlernt habe!

2. Als darum Borus des ihm schon bekannten Rasenden ansichtig ward und seiner ihn hertragenden schwachsinnigen Freunde, so sprach er zu ihnen: „Nun, was ist euch denn nun eingefallen, diesen Kranken zu mir zu bringen? Was tat er euch denn, daß ihr ihn nun dem Teufel ausliefern wollt?“

3. Sagen die beiden: „Herr, wir sind aber eines Bessern belehrt worden und haben ihn darum nun zu dir gebracht!“

4. Sagt Borus: „Wer hat euch denn eines Bessern belehrt?“

5. Sagen die beiden: „Herr, gerade diejenigen, die uns lange zuvor in solcher Dummheit, wie mit Ketten geknebelt, belehrt und erhalten haben!“

6. Sagt Borus, etwas lächelnd: „Verstehe, verstehe! Aber, was soll ich denn nun mit diesem Rasenden anfangen? Denn sein Übel ist in ihm verhärtet infolge eurer großen Dummheit, und es wird nun bei eurem schwachen Glauben schwerhalten, diesem Menschen zu helfen!“

7. Sagen die beiden: „Herr, so wir schwachgläubig wären, hätten wir den Kranken nicht zu dir gebracht!“

8. Sagt Borus: „Nun gut, so wollen wir sehen, was Gottes Kraft im Menschen vermag!“ – Hier trat Borus mit entblößtem Haupte hin zum Kranken und sagte laut: „Ich will es im Namen Jesu, des Herrn von Ewigkeit, daß du gesund seiest, und so sei gesund und wandle fortan frei!“

9. In diesem Augenblick ward der Rasende völlig gesund und gab Gott die Ehre, daß Er dem Menschen solch eine Kraft verliehen hatte.

10. Borus aber lobte Gott selbst laut mit, beschenkte den Geheilten sowie seine beiden Freunde reichlich und ließ sogleich beiden und dem Geheilten zu essen und zu trinken geben, was da vorrätig war auf den Tischen der Gäste.

11. Da trat der Oberste zu Borus hin und sagte: „Wahrlich, das hätte ich in dir nicht gesucht! Daß im Namen Jesus eine besondere Kraft liegt, vor der, von mir wohlerfahrenermaßen, sogar die Mächte der Unterwelt einen ganz verzweifelten Respekt haben, habe ich heute in der Synagoge gesehen; aber daß vor diesem Namen sich auch die Leibeskrankheiten, welcher Art sie auch sind, beugen müssen, das haben meine Augen erst hier gesehen. Wahrlich, hinter diesem Jesus muß noch viel mehr stecken als ein bloß eliasartiger Prophet; denn durch dessen Namen ist meines Wissens noch nie ein Kranker geheilt worden! Über diesen Namen, meine lieben Freunde, werden wir miteinander noch vieles zu reden haben!“

12. Nach diesen Worten begab sich der Oberste zu dem Geheilten und fragte ihn, ob er sich nun wohl als völlig geheilt fühle!?

13. Antwortet der Geheilte: „So gesund wie ich nun bin, war ich nie zuvor in meinem ganzen Leben, – und ich zähle bereits fünfzig Jahre, und das wird etwa doch geheilt sein!?“

14. Der Oberste belobt ihn und gibt ihm ein schönes Goldstück.

15. Der Geheilte aber schiebt es mit den Worten zurück: „Herr, es gibt noch viel Ärmere hier in Nazareth, – denen gib es! Ich kann nun arbeiten, und das ist für mich Reichtum zur Genüge!“

16. Sagt der Oberste: „Das heißt wahrhaft uneigennützig sein! Wahrlich, das hätte ich in dir nicht gesucht! Nun, ich bin der Oberste der Synagoge hier in Nazareth und von ganz Galiläa und werde hier und nicht in Kapernaum residieren; daher wirst du mich wohl finden, wenn über dich je eine Not kommen sollte!“

17. Sagt der Geheilte: „Der guten Menschen gibt es wenige, und so muß jeder Arme sich die wenigen merken und zu ihnen gehen, so es ihm not tut! Ich danke dir für diesen Antrag; wenn ich in der Not sein werde, werde ich schon zu dir kommen.“

18. Nach diesen Worten erheben sich die drei, der Geheilte und seine zwei Führer, danken dem Borus und dem Obersten und entfernen sich dann ganz wohlgemut nach Hause. Ihre gemietete Wohnung hatten sie einige hundert Schritte außerhalb der Stadt, gleich Meinem Hause, das auch bekanntlich außerhalb von Nazareth stand, gerade am entgegengesetzten Ausgange.

19. Nach dieser Begebenheit im Hause des Borus wird noch viel davon geredet, und die Gesellschaft geht erst nach Mitternacht auseinander; die Mutter Maria aber bleibt eine Zeitlang im Hause des Borus, wo sie wohlversorgt ist und vielen Trost hat. Das ganze Hauswesen aber besorgen Meine zwei ältesten Brüder, die daheim geblieben sind, und Borus verschafft ihnen alles, was sie nur immer nötig haben. Und so leben Meine Freunde in Nazareth im besten Einvernehmen in Meiner persönlichen Abwesenheit und beschäftigen sich tagtäglich mit Mir, Meinen Lehren und Meinen Taten, die sie selbst erlebten.

20. Der neue Oberste aber prüft alles mit stets erhöhter Schärfe, aber er wird allzeit vom Gegenteile überzeugt; denn er gehörte auch zu den Menschen, die das am nächsten Tage ganz leicht nehmen, was sie am vorhergehenden Tage erlebt haben, und dessen vergessen, was sie versprochen haben. Und so hatten Chiwar und Roban an jedem Tage eine neue Not mit dem sonst guten Menschen, der immer die Absicht hatte, streng gerecht zu sein und zu handeln, aber dabei stets zwischen allerlei Grundsätzen von Recht und Unrecht hin- und herschwankte; denn er fragte stets, was eigentlich ,Recht‘ ist.

21. Und wenn man ihm auch tausendmal an den Fingern bewies, daß das eigentliche Recht in nichts anderem bestehen kann als allein in dem, daß der Mensch nach den Geboten Gottes lebe, so begriff er das heute ganz gründlich gut; aber am nächsten Tage fand er dafür schon eine derartige Menge von Vernunftgründen dawider, daß es dem Chiwar nicht selten sehr schwer ward, dem Obersten alle seine Gründe zu widerlegen. Und Chiwar begriff nun, warum Ich zu ihm gesagt hatte, daß er auf den Obersten stets ein scharfes Auge haben solle, da diesem noch lange nicht völlig zu trauen sein werde.

22. Am meisten aber beschäftigte den Obersten doch die Kraft Meines Namens. War er auch zu öfteren Malen unerträglich, so brachte ihn Chiwar am leichtesten mit Meinem Namen zurecht. Borus aber übte dennoch stets am meisten eine Bevormundung über ihn aus und brachte ihn allzeit auf wenigstens einige Tage zurecht, daß er fest an Meinen Namen glaubte.

23. Hiermit ist im allgemeinen gezeigt, was die Nazaräer nach Meiner Wegreise gemacht haben, und so gehen wir nun wieder zu Mir Selbst über und zu dem, was Ich nach Meiner Abreise am Abend von Nazareth weiter getan und gelehrt habe, und wohin und wie dahin Ich Mich begeben habe.

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