Help

jakob-lorber.cc

Kapitel 3 Sterben und Hinübergehen

Drittes Beispiel. Ein Reicher

Am 3. August 1847

1. Da sind wir schon wieder am Sterbebett eines Mannes, der sehr reich war, seinen Reichtum rechtmäßig verwaltete, seine Kinder möglichst wohlerzog und anbei der Armen stets bestens gedachte, – freilich mitunter auch manchmal zu einem sogenannten vergnügten Stündchen bei jenen armen, aber jungen Schwesterchen, die um einen Herzogspfennig (Dukaten) für allerlei lustige Dinge zu haben sind, sich einfand. Daneben aber hielt er im Ernst große Stücke auf die Heilige Schrift, las oft und fleißig darin und glaubte fest, dass Jesus der eigentliche Jehova ist, denn er lernte solches aus Swedenborgs Werken, von denen er in den Musestunden bis auf einige kleine alle gelesen hatte.

2. Solche seine Belesenheit aber machte ihn auch sehr aufbrausend, so er jemanden über Jesus gleichgültig oder gar schmählich reden hörte, und befand sich irgendein solcher Antichrist in seiner Gesellschaft, so musste dieser sich beizeiten aus dem Staub machen, ansonst er wohl die übelsten und sehr handgreiflichsten Folgen zu befürchten hatte. Kurz und gut, unser Mann war ein sehr vollkommener strenger Held fürs reine Christentum.

3. Dieser Mann erkrankte in seinem bedeutend vorgerückten Alter, und zwar infolge einer großen Festtafel, bei der er des Guten schon ohnehin zu viel tat, und nach der Tafel besonders ob des durch die vielen starken Weine zu sehr aufgereizten Blutes, wegen gepflogenen zweimaligen Beischlafs mit einer jungen, fleischlich sehr üppigen Schwester.

4. Als unser Mann nach solchem nach Hause kam, empfand er einen leichten Schwindel, den er für ein Räuschel hielt. Aber er irrte sich. Kaum war er im Begriff ins Bett zu steigen, als ihm schon die Füße den Dienst versagten. Er stürzte für die Welt bewusstlos zusammen und war, wie ihr zu sagen pflegt, auch schon mausetot.

5. Dass die Seinigen – tief erschreckt – augenblicklich alles aufboten, ihren Hausvater zu erwecken, versteht sich von selbst. Aber es war vergebliche Mühe, – denn was einmal von den Engelsgeistern geholt wird, das erwacht für diese Welt nimmer.

6. Es ist daher bei diesem Mann diesseits nicht viel mehr zu beschauen und zu behorchen, darum wollen wir uns auch sogleich in die Geisterwelt begeben und sehen, wie sich unser Mann dort ausnimmt und was er beginnt und wohin er sich wendet.

7. Vor allem aber sollt ihr wissen, dass Menschen, die von einem Totalschlag gerührt werden, durchaus nicht wissen und auch nicht im Geringsten merken, dass und wie sie gestorben sind. Sie finden keine Veränderung – weder ihres Hauswesens, wie sie es auf Erden hatten, noch in ihrem Befinden, außer dass sie ganz gesund sind, was sie aber gewöhnlich auf der Welt auch waren. Desgleichen sehen sie auch keine Engel, obschon diese knapp bei ihnen sich befinden, und vernehmen auch nicht das Geringste aus der Geisterwelt, in der sie sich doch vollkommen befinden. Kurz und gut, sie sind ganz in allem und jedem wie noch ganz auf der Welt. Sie essen und trinken, sie leben in ihrem wohlbekannten Ort, in ihrem Haus, da ihnen sozusagen kein teures Haupt fehlt.

8. Also war und ist es auch mit unserem Mann der haargleiche Fall wie im lebhaften Traum. Ihr seht ihn nun schon in der Geisterwelt! Er steigt ganz guter Dinge in sein Bett in seinem wohlbekannten Schlafzimmer, das hier ganz auf ein Haar mit all dem eingerichtet ist wie das auf der Erde. Seht, wie ganz gemächlich er sich im Bett ausstreckt und den Schlaf sucht und erwartet! Aber dieser einzige Umstand macht unseren Mann etwas stutzig, dass er diesmal zu keinem Schlaf kommt, – denn der Schlaf ist den Geistern fremd. Sie haben wohl auch einen entsprechenden Zustand, der alldort Ruhe heißt, aber im Wesentlichsten nicht die leiseste Ähnlichkeit mit dem irdischen Schlaf hat.

9. Behorchen wir nun aber unseren Mann selbst und sehen, wie er sich nun in seinem neuen Zustand benimmt und wie er ihm vorkommt. Hört, was er nun im Bett spricht: „Du, Lini (sein Weib), schläfst du?“ Die Lini richtet sich auf und fragt: „Was willst du, lieber Leopold, fehlt dir etwas?“ (NB. Weib und Kinder und sonstige Domestiken werden durch eigens dazu beorderte Geister wie verdeckt vorgestellt.) Spricht der Mann: „Nein, mir fehlt gerade nichts, ich bin, Gott sei Dank, ganz kerngesund. Nur kein Schlaf, aber auch nicht die leiseste Anmahnung zum Schlaf will sich meiner bemächtigen. Geh und gib mir meine Schlafpillen, ich werde ein paar verschlucken, vielleicht wird sich’s nachher tun.“

10. Die Lini steht sogleich auf und erfüllt den Willen ihres Mannes. Die Pillen sind nun verschluckt, aber der Schlaf bleibt noch immer aus!

11. Der Mann spricht nach einer Weile: „Lini, geh, gib mir noch ein paar, denn sieh, mir kommt noch kein Schlaf, ich werde nur stets munterer statt schläfriger.“

12. Lini spricht: „Geh, lass die Pillen, könntest dir damit noch den Magen verderben. Pflege dafür mit mir lieber einen Beischlaf, und du wirst dadurch vielleicht eher zu einem Schlaf kommen, wenn du denn schon durchaus schlafen willst.“

13. Spricht der Mann etwas betroffen: „Ja liebe Lini, mit solchem Akt wird’s nun mit mir etwas hart hergehen; denn du weißt es ja schon aus langer Erfahrung, dass ich nach einem großen Schmaus dazu nie disponiert bin. Denn da versagt mir die Natur dazu allzeit den gewissen erforderlichen Dienst. Daher gib mir doch lieber noch ein paar Pillen!“

14. Spricht das Weib: „Sonderbar, mein lieber Herr Gemahl! Man spricht aber doch, dass sich der reiche, gottesfürchtige Leopold gewöhnlich nach solchen Festtafeln zu einer gewissen Cilli begebe und dort seinen Mann derart stellen soll, dass davon ein Jüngling ein Exempel nehmen könnte. Aber so nachher daheim die treue, freilich wohl schon etwas mehr bejahrte Lini merken lässt, dass sie des Leopolds Weib ist und manchmal aus gewissen Gründen auch zu keinem Schlaf kommen kann, da hat der Leopold dann allzeit tausend theosophische, philosophische und Gott weiß was alles noch für Gründe, des Weibes billiges und ohnehin sehr seltenes Verlangen zu beschwichtigen! Schau Leopold, du treuer Freund der Wahrheit, wie kommt es dir denn (verstehe es so geheim bei dir) vor, so du mich, dein allzeit getreuestes Weib, so schnöde und wahrhaft scheinheilig anlügst? Wie oft hast du mir die Schändlichkeit des Ehebruchs mit den grellsten Farben ausgemalt! Was sagst du aber nun zu dir selbst, so ich es dir sonnenklar bezeugen kann, dass du selbst ein Ehebrecher bist?“

15. Spricht der Mann ganz verdutzt: „Lini, liebes Weib, woher weißt du denn solche Taten von mir? Wahrlich, so was könnte ich nur in einem dicksten Rausch getan haben, – und habe ich’s getan, so rechne ich darauf, dass du mit einer menschlichen Schwäche an mir auch eine christliche Geduld haben wirst und wirst davon weiter keinen unser ganzes Haus entehrenden Gebrauch machen! Sei gescheit, liebes Weib, sei gescheit und rede nicht mehr davon; denn sieh, deswegen habe ich dich dennoch überaus lieb! Sei nur wieder gut, sei gut, mein liebes Weiberl, ich werde so was in meinem ganzen Leben nimmer tun!“

16. Spricht die Lini: „Ich glaub’s auch. Wenn man schon sein ganzes Leben hindurch so gelebt hat und sein treues Weib wenigstens alle vierzehn Tage einmal betrogen und ein paarmal sich sogar eine abscheuliche Krankheit abgeholt hatte, da wird es vielleicht freilich wohl an der Zeit sein, von derlei Verrichtungen abzustehen, von denen es in der Schrift geschrieben steht: ‚Hurer und Ehebrecher werden in das Himmelreich nicht eingehen!‘ Sage mir du, mein in aller Gottesgelehrtheit wohlunterrichteter Mann, was wohl würdest du nun tun, so dich der Herr plötzlich abriefe? Wie sähe es da mit deiner Seligkeit aus? Oder hast du es vom Herrn etwa schriftlich, dass Er dich so lange wird leben lassen, bis du dich bessern wirst aus deines Lebens Fundament? Ich möchte aber noch wegen der gewissen Schwester Cilli nichts sagen; aber die unverkennbare sinnliche Neigung, die du zu unserer eigenen ältesten Tochter auf eine Weise kundgetan hast, bevor sie heiratete, die dir einen unvergänglichen Schandfleck vor Gott und allen Menschen, so sie es wüssten, auf deine gottesgelehrte Stirn gedrückt hat, sage, was soll ich denn dazu sagen? Oder was wird Gott dazu sagen?“

17. Spricht der Mann noch viel mehr verdutzt: „O Weib, du fängst an, mich im Ernst zu quälen, zwar freilich leider mit allem Recht, denn es wäre mehr als läppisch von mir, so ich es dir leugnen möchte. Aber weh tut es mir dennoch, und ich begreife überhaupt gar nicht, wie du meines Wissens davon durch unsere ganze Ehezeit nichts davon erwähntest und nun alle Schleusen auf einmal öffnest und mich förmlich vernichten willst!

18. Bedenke, dass alle wir Menschen schwach sind in unserem Fleisch, wenn wir auch den willigsten Geist haben, und du wirst mir alle meine Schwächen leicht verzeihen! Bedenke, dass der Herr die Ehebrecherin nicht gerichtet hat, so wird wohl auch ein reuiger Ehebrecher bei Ihm Erbarmung finden! Und also richte auch du, liebes Weib, mich nicht; denn ich erkenne und bereue ja meine große Schuld an dir samt dem leidigen Vergehen an unserer verheirateten Tochter! Der Herr vergebe es mir, wie du es mir vergibst!“

19. Das Scheinweib spricht: „Gut denn, so sei dir alles Geschehene vollends vergeben. Sieh aber zu, dass du in der Zukunft von deiner vorgeschützten Schwäche keinen Gebrauch mehr machst, sonst wirst du wenig Segen von dieser meiner vollsten Nachsicht haben! Ich werde dich daher noch eine Zeit ertragen und zusehen – aber schlafen wirst du nimmer, denn sieh und höre: Du bist nicht mehr auf der Erde, sondern hier in der Geisterwelt! Und Ich, die du nun als dein oft berücktes Weib ansahst, bin nicht dein Weib, sondern – sieh her! – Ich bin dein Herr und dein Gott! Belasse dich aber, so du es willst, wie du nun bist; willst du aber weiter, so folge Mir hinaus aus diesem alten Schandgemach!

20. Der Mann erkennt Mich und fällt wortlos auf sein Angesicht.

21. Ich aber sage zu ihm: „Richte dich empor; denn deine Liebe ist größer denn deine Sünde, daher sei dir alles vergeben! Aber bei Mir kannst du noch nicht Wohnung nehmen, solange dir noch Irdisches anhängt. Siehe aber, dort stehen Engel in Bereitschaft, die werden dich führen die rechten Wege. Und wenn dein irdisches Hauswesen wird von diesen deinen Führern mit Not und Armut geschlagen sein, dann wirst du bei Mir ein neues Wohnhaus finden für ewig. Amen!“

22. Seht, das ist wieder ein anderes Wasser. Manche verharren länger in dem Naturzustand, wie da war dieser unseres Exempel-Mannes; dieser aber war darum sehr kurz, weil er da auf der Welt viel Liebegutes tat, und weil er für sein Vergehen sogleich ernstliche Reue bezeugte. Nächstens wieder ein anderes!

Kapitel 3 Mobile Ansicht Impressum